Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,
Dies ist meine erste umfangreichere Rede im Stadtrat und gestatten sie mir deshalb ein paar persönliche Worte vorneweg.
Wie viele von ihnen wissen, bin ich im Hauptberuf Musikwissenschaftler und Kulturwissenschaftler und arbeite jetzt seit über 20 Jahren als Professor an der Hochschule Düsseldorf im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften. Außerdem war ich vor meiner Professur viele Jahre lang Inhaber einer Firma für Film- und Audioproduktion in Köln. Ich will damit sagen: Wir hier alle sind keine Berufspolitiker (mit Ausnahme des Bürgermeisters und Herrn Schnelle) sondern von den Bürgern gewählt worden um einfach hier im Ort ihre Interessen möglichst effektiv und bürgernah zu vertreten.
Deshalb möchte ich an dieser Stelle einmal grundsätzlich betonen, dass wir es eigentlich nicht nötig haben, uns den Habitus von Berufspolitikern zuzulegen, sondern wie normale Menschen miteinander umgehen können. Es wäre meiner Meinung nach an der Zeit einmal Wegzukommen von den eingeübten Ritualen der Haushaltsreden die sich auch hier in diesem Stadtrat langsam breit gemacht haben. Weg vom Politikersprech hin zu einer für alle Bürger verständlichen Sprache. Dafür sind wir gewählt worden. Schauen wir uns die Wahlbeteiligung der letzten Kommunalwahl hier in Hückelhoven an sollten wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen, warum ungefähr die Hälfte der BürgerInnen nicht mehr zu Wahl geht.
Mein Motto für die zukünftige Arbeit hier im Stadtrat ist „Konziliant im Ton aber hart in der Sache“.
Jemand der eine andere politische Überzeugung hat ist nicht mein Gegner oder Feind, sondern ein Mensch mit dem ich mich fair auseinandersetzen will. Ich denke, dass wir uns in der heutigen Zeit der immer unsachlicher werdenden Auseinandersetzung vor allem in den sozialen Medien vorbildlich in der Auseinandersetzung verhalten sollten.
Und das folgende auch noch vorneweg. Ich habe den Bürgermeister und die Verwaltung In der letzten 20 Jahren - seitdem ich wieder in Hückelhoven wohne -
in vielen Dingen als sehr kooperativ und kreativ mitwirkend erlebt. Beispiel Gospelworkshop bei dem ich mich bisher immer sehr unterstützt gefühlt habe.
Dennoch gibt es für mich einen Hauptgrund warum ich mich überhaupt stärker politisch engagiert und mich entschieden habe in meiner Partei mit zu arbeiten und ich bin unseren Wählern verpflichtet, kritisch mit den von der Stadt vorgelegten Vorhaben umzugehen.
Die Stadt Hückelhoven verliert ihre Seele. Viele alte Hückelhovener treten auf mich zu und fragen sich: Wo ist er Gemeinschaftssinn? Was ist mit Hückelhoven los? Wohin soll es mit der Stadt eigentlich gehen?
Die Menschen vermissen die Stadt als einen Ort der Geborgenheit, einen Ort der gerade in der jetzigen Zeit Heimat und Verbindung vermittelt.
Kaufen und Konsum vermitteln keine Geborgenheit, geben keine Heimat und geben auch keinen inneren Halt. Leider steht aber mittlerweile Kaufen und Konsum ganz oben auf der Agenda der Stadt.
Viele alteingesessene Bürgerinnen und Bürger der Stadt Hückelhoven wenden sich ab und fühlen sich mit ihren Bedürfnissen allein gelassen.
· Wer geht abends in Hückelhoven flanieren?
· Wer geht in Hückelhoven in einem guten Restaurant Essen?
· Wer nimmt in Hückelhoven anspruchsvolle kulturelle Angebote wahr?
Meine Beobachtung ist, dass viele Menschen die lange Jahre zur Kernbevölkerung der Stadt gehört haben, sich innerlich abwenden und Hückelhoven wenn überhaupt nur noch als Wohnort, aber nicht als Lebensort und als attraktiven Einkaufsort betrachten. Das ist eine absolut ungesunde Entwicklung.
Lassen sie mich an dieser Stelle doch noch einmal darauf hinweisen, dass die Grünen die einzige Partei ist, die bei der letzten Kommunalwahl hinzugewonnen hat, nämlich 8,5 Prozent - im Gegensatz zu allen anderen Parteien. Das sind doch deutliche Signale, die einen Wunsch nach Veränderung zeigen. Selbst die CDU hat
3 Prozent verloren. Ich glaube wir sollten realisieren, dass sich die Zeiten geändert haben und das auch in konkrete Politik umsetzen.
Zitat: „Rund ein Viertel der meisten Tier- und Pflanzenarten ist vom Aussterben bedroht. Deshalb müssen wir unsere Anstrengung zum Schutz der Artenvielfalt und der natürlichen Lebensräume erhöhen. Und das nicht irgendwann sondern jetzt. Und das nicht irgendwie, sondern ganz erheblich, sonst werden die Folgen bald unumkehrbar sein“ Wer sagt das? Nicht Greta Thunberg, sondern unsere Bundeskanzlerin Merkel beim One Planet Summit for Biodiversity.
Verkehr und Handel
Ungefähr 30 Prozent der Bürgerinnen in Doveren sind gegen den Bau der Straße
L 364 n, zumindest haben sie den Grünen ihre Stimme gegeben. Nimmt man die anderen Protestwähler hinzu sind es sogar noch mehr. Wollen Sie wirklich gegen den Willen eines Drittels der Einwohner Doverens diese unsinnige Straße bauen, die den wenigen Wald, den wir überhaupt noch haben, weitestgehend zerstört. Das Verkehrsaufkommen auf der Provinzialstrasse ist jetzt schon an der Grenze der Belastbarkeit. Der Bau dieser Strasse spaltet in Doveren die Bevölkerung.
Mit einem konkreten schnellen Ausbau der Fahrradwege hin zu einem geschlossenen Fahrradwege Netz mit ausreichender Breite könnte man einen erheblichen Teil des Autoverkehrs von den Straßen wegbekommen. Selbst solche Städte wie Köln und Münster aber auch Erkelenz fördern die Anschaffung von Lastenfahrrädern mit erheblicher finanzieller Unterstützung um auch gewerbliche Betrieb dazu zu bewegen, weniger mit dem Auto zu transportieren. Wir werden dazu entsprechende Anträge stellen!
Zumindest ein Teil der Parkhofstrasse sollte autofrei werden, um ein Flanieren und eine Außengastronomie wieder attraktiver werden zu lassen. Alle Städte im Kreis Heinsberg haben ihre Innenstädte verkehrsberuhigt und Zonen eingerichtet, in denen die BürgerInnen sorglos und in Ruhe flanieren können. Hückelhoven hat die mit Autos verstopfte Parkhofstrasse und ein Einkaufszentrum, das vor allem aus Parkplätzen besteht. Außerdem bedarf es einer Parkraum Bewirtschaftung und keiner Werbung für kostenloses Parken, die dann noch mehr Autos in die Stadt holt. Wir halten den Gedanken der Verlagerung der Innenstadt für falsch und schlagen vor, dass unbedingt einmal ein nachhaltiges Gesamtkonzept für die Stadt entwickelt wird, in dem ein vernünftiges Verhältnis von Ökologie und Ökonomie sichtbar wird. Der alte Stadtkern sollte wieder lebenswert werden!
Das Thema, das die Politik der Stadt bereits lange beschäftigt, ist die Ansiedlung von neuem Einzelhandel auf dem Gebiet, wo sich derzeit noch das Glück-auf-Stadion befindet. Kurz nach der Wahl fanden diesbezüglich Gespräche mit dem Modepark Röther statt, der dort als Investor fungiert. Im Frühjahr sollen die Arbeiten am neuen Sportplatz beginnen, erst wenn der Kunstrasenplatz samt Vereinsheim fertiggestellt ist, wird am alten Standort mit den Abrissarbeiten begonnen.
Wir halten die Verlagerung der Sportplätze für falsch, weil man damit auch den SchülerInnen des Gymnasiums einen viel zu langen Weg zu den Sportstätten zumutet und unnötig Unterrichtszeit verliert. Lassen Sie den Sportplatz da wo er ist, in der Mitte der Stadt. Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde diese Lage als Aushängeschild Hückelhoven angepriesen.
Was passiert denn eigentlich, wenn der Modepark Röther als Investor abspringt? Zur Zeit deutet alles darauf hin, das vor allem der Textilhandel in eine wirtschaftliche Schieflage geraten wird, weil die KundInnen nicht zuletzt durch die Pandemie immer mehr zum Online Handel wechseln.
Gibt es für diesen Fall einen Plan B?
Wir stellen fest dass in der Haushaltsplanung weiterhin der Schwerpunkt der Aktivitäten in der Erschaffung weiterer Neubaugebiete und Industriegebiete liegt. Beispiel Haller Acker und Industriegebiet Baal
Macht es wirklich Sinn in Zeiten des demographischen Wandels immer noch auf Zuwachs der Bevölkerung zu setzen? Sollten wir uns nicht einfach mal eingestehen, dass Hückelhoven einfach keine Fläche für noch mehr Einwohner*innen hat und es viel wichtiger wäre, für die hier jetzt lebenden Menschen die Lebensqualität durch eine naturerhaltende und nachhaltige Politik zu steigern? Auch von Seiten der Stadt habe ich Äußerungen gehört die besagen, dass wir eigentlich kaum noch freie Fläche haben. Da macht es doch keinen Sinn, auch noch die letzten Flächen zu versiegeln und Bäume zu fällen.
Die Verkehrsbelastung innerorts wird immer größer. Sollen wir noch dann noch mehr Straßen bauen um noch mehr Speditions- und Logistikunternehmen ansiedeln, die diese Straßen mit LKW verstopfen und verschleißen?
Die völlig einseitige Orientierung in Richtung weiterer Logistikfirmen Beispiel Lidl geht in die falsche Richtung, zumal die Gewerbesteuern der Firma dann wahrscheinlich noch nicht mal in Hückelhoven bleibt.
Richtig wäre es auf dem jetzt schon bebauten Industriegelände hochwertige, nachhaltige innovative Arbeitsplätze zu schaffen, die dann indirekt auch zu einer anderen Gewerbe- und letztendlich auch Einkommenssteuersituation in der Stadt und damit zu einer strukturellen Veränderung führen würden.
Zum Haushalt und dem Schuldenstand an dieser Stelle nur ein kurzes Zitat des Berichts der IHK Aachen zum Hückelhovener Haushalt: „Die Mittelfristige Haushaltslage der Stadt Hückelhoven kann wohl keinesfalls als stabil bezeichnet werden. Der Schuldenstand bei den Investitionskrediten steigt voraussichtlich um 22% bis Ende 2021. Die Pro Kopf Verschuldung von 1848 auf 2255 Euro!“
Kultur, Freizeit und Jugend
Wir brauchen keine einmalige Eventkultur, die einmal im Jahr die Millicher Halde unter Verursachung riesiger Immissionen mit Menschen überflutet, sondern einen nachhaltigen Umgang mit dem wenigen vorhandenen Baum- und Pflanzenbestand.
Wir können uns einen grünen Korridor der von der Millicher Halde über die L 117 hinweg (mit einer Brücke) bis zur Rur führt vorstellen, auf dem die BürgerInnen von der Innenstadt aus bis zur Rur ohne Kontakt mit dem Autoverkehr spazieren gehen können. Überhaupt sollte die Rur als Wasserader unserer Stadt viel stärker in der Planung der Grünflächen berücksichtigt werden.
Wir brauchen für Hückelhoven wieder eine Baumschutzsatzung, das Versiegeln der Vorgärten nimmt immer mehr zu. Hier sollte Einhalt geboten werden und die Verpflichtung zum Pflanzen eines Baumes muss auch überprüft und bei Nichtbefolgung geahnt werden.
Lassen Sie die jungen Menschen in Hückelhoven mehr zu Wort kommen. Richten Sie ein Jugendparlament ein und geben Sie den Jugendlichen Stimmrecht in Ausschüssen beispielweise im Jugendhilfe Ausschuss oder im Kulturausschuss!
Leider kann ich wegen der zeitlichen Begrenzung heute nicht näher auf viele andere Themen eingehen, die ich dann gerne noch in der Druckfassung zu Protokoll gebe.
Wir werden heute aus verschiedenen Gründen für den Haushalt stimmen, obwohl mit dem Haushalt viele Vorhaben finanziert werden, die wir für falsch halten
Wir wollen damit als fast komplett runderneuerte Fraktion ein Zeichen setzen, dafür dass wir kooperationsbereit und gesprächsbereit sind. Bei vernünftigen Projekten sind wir gerne mit im Boot zum Wohle der Stadt und ihrer BürgerInnen.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!